Urdu ist die offizielle Amtssprache Pakistans, des Landes aus dem Afzaal Deewan 2004 geflüchtet ist. Afzaal Deewan und seine Frau Natalie Deewan sind die Besitzer des pakistanischen Lokals „Der Wiener Deewan“. Ein Lokal der etwas anderen, besonderen Art.

Wir sitzen in einem mit kleinen weißen Tischen gefüllten Lokal in der Liechtensteinstraße im 9. Wiener Bezirk. Die Decke des Raums ist hoch- typisch Altbau. In der Mitte des Raumes befindet sich das Buffet voller pakistanischer Köstlichkeiten. Das Lokal ist gut besucht, der Raum wird von vielen Stimmen erfüllt. Die Atmosphäre ist entspannt und einladend. Die Wände sind in den

verschiedensten Farben bemalt und beschriftet- gestaltet von den vielen verschiedenen Menschen, die den Wiener Deewan bereits besucht haben. Natalie Deewan, die Besitzerin des Lokals in Wien- Alsergrund bietet uns etwas zu trinken an und holt ihren Mann Afzaal zum Gespräch hinzu. „Eigentlich wollte Afzaal gar nicht in Österreich bleiben, sondern nach England weiter um dort seinen Asylantrag zu stellen, weil er dort bereits Freunde und Familie hatte“, erzählt uns Natalie Deewan. Afzaal Deewan kam im April des Jahres 2004 als politischer Flüchtling nach Österreich. Pakistan wurde zu dieser Zeit vom Militärmachthaber Pervez Musharraf, der 1999 durch einen Staatstreich an die Macht kam und sich 2001 selbst zum Präsidenten ernannte, de facto diktatorisch regiert. Als politisch interessierter und engagierter Mensch war ein Leben für ihn in Pakistan nicht mehr möglich, so Afzaal Deewan. Aufgrund der Dublin- Verordnung der Europäischen Union, laut der jener Staat in den ein Asylwerber nachweislich zuerst eingereist ist das Asylverfahren durchführen muss, war eine Weiterreise nach England für ihn praktisch unmöglich.

Nun befand er sich als Asylwerber ohne Arbeitsgenehmigung in Österreich. Doch das Nichts-tun, das scheinbar endlose Warten war unvorstellbar für ihn und so ergab es sich, dass Afzaal Deewan begann im Ernst- Kirchweger-Haus in der Wielandgasse in Wien-Favouriten regelmäßig für Bekannte und Freunde pakistanisch zu kochen. Das Ernst-Kirchweger-Haus, kurz EKH, gilt als Zentrum der autonomen Szene in Wien und wurde nach dem Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger benannt. In den Jahren von 1990-2008 war es Schauplatz diverser medienwirksamer Besetzungsaktionen. Dort lernte er auch seine spätere Ehefrau Natalie kennen. „So gesehen kann man sagen, dass der Wiener Deewan ein Kind des EKH ist“, erzählt Natalie Deewan lachend. Afzaal Deewans pakistanische Küche war allseits beliebt und so beschloss er seine Gerichte, verpackt in Styroporboxen, rund um den Reumannplatz in Wien-Favouriten zu verkaufen- zum Missfallen anderer „Standler“ und Lokalbesitzer, die einem „Konkurrenzbetrieb“ ohne Gewerbeschein nicht gerade freundlich gegenüberstanden. Nun musste eine Räumlichkeit her, in der Afzaal Deewan seine Gerichte weiter unter die Menschen bringen konnte. Somit begann für Natalie und Afzaal im Sommer 2004 die Suche nach einem geeigneten Geschäftslokal. Das Problem dabei: Afzaal Deewan hatte zu diesem Zeitpunkt den Status „Asylwerber“ und war somit nicht befähigt legal in Österreich zu arbeiten, geschweige denn eine eigene Firma zu gründen. Die einzige Lösung für dieses Problem hieß: Firmengründung mit österreichischem Partner. Und so wurden Natalie und Afzaal Deewan zu Co-Unternehmensgründern der Deewan KG.

Gemeinsam erwarben sie ein altes, rustikales Wirtshaus in der Liechtensteinstraße 10 in Wien- Alsergrund, das sie nach einem intensiven Umbau im April 2005 unter dem Namen „Der Wiener Deewan“ neu eröffneten. Das Lokal lief gut und auch das allgemeine Echo war positiv, doch leider gab es schlechte Nachrichten anderer Art. Im Herbst 2005 wurde Afzaal Deewans Asylantrag abgelehnt, er erhielt einen negativen Bescheid. Da er jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits ein gutes halbes Jahr mit Natalie verheiratet war, beschloss er einen Antrag für Niederlassungsbewilligung als Familienangehöriger zu stellen. Um dies tun zu können musste er allerdings seinen Asylantrag in Österreich zurückziehen und war somit, während der Bearbeitungszeit des neuen Antrages auf Niederlassungsbewilligung als Familienangehöriger, illegal in Österreich. Von Seite der Behörden wurde versichert, dass dies keinesfalls ein Problem darstellen würde, wäre nicht im Jänner 2006 das Fremdenrechtspaket von 2005 in Kraft getreten. Diese neue Verordnung sah keinerlei Übergangsfristen für bereits gestellte Asylanträge vor, jeder Antrag auf Asyl in Österreich musste neu aus dem jeweiligen Herkunftsland des Antragssteller gestellt und abgewartet werden. Außerdem musste ein Mindestnettoeinkommen von 1090€ in Österreich nachgewiesen werden. Für Afzaal Deewan hätte das bedeutet sein eben erst eröffnetes Gewerbe auf unbestimmte Zeit zu schließen und zurück nach Islamabad zu gehen, um dort wiederum keinerlei Einkommen in Österreich nachweisen zu können. Eine Situation, die an Absurdität kaum zu überbieten war.

Afzaal Deewan entschied sich zu bleiben und somit illegalisiert in Österreich zu leben. Diese kritische Zeit voller Ungewissheit wurde im November 2007 durch gravierende politische Vorfälle in Pakistan beendet. Die Ausrufung des Ausnahmezustands durch Pervez Musharraf und die darauf ausgegebene Reisewarnung führten dazu, dass eine Inlandsantragsstellung aufgrund humanitärer Gründe möglich war, die nur wenig später bewilligt wurde. Das Fazit: mit Ende des Jahres 2007 wurde Afzaal Deewan ein befristeter Aufenthaltstitel zugesprochen, der jährlich unter Vorweisung des Einkommens verlängert werden musste. Knapp 8 Jahre später, im Jahr 2015, erhielt der Besitzer des Wiener Deewan den Daueraufenthaltstitel.

Dies war eine große Erleichterung, denn so konnten Natalie und Afzaal Deewan ihr Lokal mit dem außergewöhnlichen Konzept weiterführen. Einer der besonderen Faktoren dieses Konzepts ist das Angebot „ All you can eat- pay as you wish“. Dies will vor allem den Gästen die Möglichkeit geben eigenständig zu entscheiden, was ihnen der Lokalbesuch wert war und nur das zu bezahlen, was sie als angemessen empfinden. Außerdem verhindert dieser Ansatz die Entstehung gesellschaftlicher Barrieren, die aufgrund finanzieller Situationen auftreten könnten. Wichtig ist dabei, dass sich jeder Gast des Wiener Deewan bewusst ist, dass jeder einzelne dafür verantwortlich ist, was das Lokal weiterhin schaffen und erreichen kann. Diese Art der

Preisgestaltung fand auch über die Grenzen Österreichs hinaus Anklang und diente als Inspiration für Lokale und Betriebe z.B in München, Melbourne/Australien, Toronto/Kanada und Killarney/Irland.

Doch nicht nur mit dieser speziellen Preispolitik kann der Wiener Deewan überzeugen, sondern auch mit seiner Vielfalt in vielerlei Hinsicht. Jeden Tag von 11:30 bis 22:30 Uhr gibt es ein mehrmals täglich wechselndes pakistanisches Buffet bei dem für jeden Geschmack etwas dabei ist. Neben 2 Fleischcurries werden 3 vegetarische und gleichzeitig vegane Curries, Salate, Saucen, Nanbrot und Süßspeisen angeboten. Außerdem ist das gesamte Speisenangebot Halal, so dass auch gläubige Muslime auf ihre Kosten kommen. Wer die pakistanischen Gerichte nicht im Lokal genießen kann/möchte, hat die Möglichkeit sich eine Take-Away-Box zusammenzustellen. Weiter richtet das Team des Wiener Deewan auch Caterings aus.

Diese kulinarische Vielfalt ist unter anderem auch ein Grund für das breite Gästespektrum, das das Bild des Wiener Deewans prägt. Es gibt keine spezielle Zielgruppe, die das Lokal ansprechen will, denn im Deewan gilt das Motto „Essen für alle“, betont die Besitzerin. Ob Studenten, Geschäftsleute, Familien,…jeder ist willkommen. Nicht nur die Kundschaft ist bunt gemischt, sondern auch das Mitarbeiterteam ist von Diversität geprägt. Das Team besteht aus den 2 Geschäftsführern Natalie und Afzaal Deewan und 18 Mitarbeitern verschiedenster Nationalitäten. Darunter befinden sich auch ehemalige Asylwerber, jedoch ist dieser Status nicht zwingend, wichtig ist dem Deewan – Team, dass man gut miteinander arbeiten kann, egal aus welchem Land man kommt und welchen sozialen Background man entstammt.

Weiters bietet das Lokal neben dem regulären Restaurantbetrieb auch Fläche für kulturelle Veranstaltungen wie die sogenannten Kama-Jams. Im Jahr 2006 hat das Deewan – Team das Programm „Play as you wish“ ins Leben gerufen, jedoch gab es neben dem Platzproblem auch Probleme mit der Art von Musik und den Gästen. Als im Jahr 2011 eine Gruppe junger Leute einen Raum für mehrere Jamsessions suchten, bot sich der Wiener Deewan an. Idee der Kama-Jams ist, dass man sowohl essen, sich unterhalten, aber auch Musik verschiedenster Art lauschen kann. Die Kama-Jams finden am ersten Montag eines jeden Monats statt.

Aus diesen Komponenten setzt sich das unkonventionelle, einzigartige Konzept des Wiener Deewan zusammen, das nicht nur bei seinen Gästen sondern auch bei der breiten Öffentlichkeit positiven Anklang findet und bereits mit einigen Auszeichnungen bedacht wurde. 2005 wurde das Lokal vom Falter auf die „Best of Beisl“-Liste der 10 besten Lokale Wiens gesetzt, 2006 wurde der Jungunternehmerpreis des Wirtschaftsministeriums mit dem Unternehmensgegenstand „pakistani

food“ und 2010 der Mingo-Award gewonnen. Im Jahr 2013 erhielt das Deewan-Team eine Nominierung für den Preis der Wiener Vielfalt.

Somit bleibt nur zu sagen, dass der Wiener Deewan mit all seinen Besonder- und Außergewöhnlichkeiten in jedem Fall für jedermann/jedefrau einen Besuch wert ist. Wir wünschen „اپنے کھانے کا لطف – Guten Appetit!“

Autorinnen: Klara Stanger und Katharina Feiler